Freitag, 3. September 2010

Alles Plaste, oder was? Die Recycling-Frage

Atlanta ist so grün, dass die Parks ständig leer sind. Die brauch hier auch kein Mensch, denn jeder hat die Natur buchstäblich vor der Haustür: Giftefeu, Schlangen, Bäume, Vögel: alles da. Man ist auch sehr bestrebt, die grüne Idylle hübsch herzurichten: Es wird gewässert, gedüngt, gemäht und getrimmt was das Zeug hält. Aber über etwas sehr Bedeutsames macht man sich hier nur sehr wenig Gedanken: unseren Planeten.
Möglichst unachtsam mit der Umwelt umzugehen, gehört in diesen Gefilden scheinbar genauso dazu wie die Mayo zum Obstsalat. Selbst ich, die sich bei Fragen der Mülltrennung in der WG im Zweifel immer für irgendeinen x-beliebigen Mülleimer entschied, stehe hier und kann nur den Kopf schütteln.
Fangen wir bei den kleinen Dingen an, die man größtenteils der Sparsamkeit wegen tut, die einem aber trotzdem das wohlige Gefühl geben, beim Umweltschutz an vorderster Front mit dabei zu sein: Strom und Wasser sparen oder auch mal zu Fuß gehen. Ersteres bedeutet für die Amerikaner eine Einschränkung des Lebensstandards und letzteres eine Einschränkung der Bequemlichkeit. Somit ist beides - ihr ahnt es bereits – vollkommen inakzeptabel. Es ist den Leuten unbegreiflich, wie man NICHT den ganzen Tag die Klimaanlage laufen oder die ganze Nacht das Licht im Hausflur brennen lassen kann. Von einem Dasein als Fußgänger mal ganz zu schweigen! Amerikanische Autofahrer sind mit Fußgängern vollkommen überfordert. Die Straße zu überqueren, ist das größte Abenteuer, da man aufpassen muss, keinen Verkehrsunfall zu verursachen. Kaum sehen sie einen, gehen sie in die Eisen, als würde ihnen ein wildes Tier vor die Karre springen!
In unserem Apartment stapelt sich fein säuberlich getrennt Plaste und Papier und keiner weiß, wohin damit! Es gibt zwar Recyclingstellen, aber nur vereinzelt. Wenn man danach fragt, wie das hier läuft, erntet man meistens nur hochgezogene Augenbrauen und die prompte Gegenfrage, warum ein Mensch sowas freiwillig tun wolle. Ähhm, vielleicht weil riesige Müllteppiche auf den Ozeanen schwimmen? Weil wir es GEWOHNT sind? Wir sind Deutsche, wir möchten, dass uns gesagt wird, wie man das mit dem Müll zu machen hat hier. Gibt es denn keine Vorschrift für sowas? Nicht mal Einheitsmülltonnen habt ihr???? Um Himmels Willen, wie kann man nur so leben????? Das geht ja drunter und drüber in diesem Land!
Tja, Dr. Martin Luther King. Da guckst du auch ein bisschen ratlos von unserem Anti-Rassismus-Poster. Da schäme ich mich gleich, weil ich früher auch immer groß getönt habe, Mülltrennung sei Rassismus. So ist das manchmal im Leben. Da hält man sich für übel und gefährlich, weil man den Bio-Müll mit Plastiktüte in die Mülltonne wirft und dann kommt der Physiker von nebenan und wickelt dich ein mit seinem Rotwein und den großen blauen Augen. Dann gehst du dann doch los und holst Papiermülltüten, die dauernd durchweichen, worüber du dich dann maßlos ärgerst, weil es eine ekelhafte Sauerei ist! Und deine Freundin/ehemalige Mitbewohnerin sieht sich das Schauspiel fassungslos mit an; hat sie doch Jahre vergeblich damit zugebracht, dir die Mülltrennung ans Herz zu legen. Die Liebe ist schon ein komisches Spiel. Ja, ich gestehe: diese Berge scheinbar umsonst getrennter Müll sind mir schon ein Dorn im Auge. Natürlich würde ich am liebsten alles in einen Sack stecken und dann weg damit. Aber dann wird der Plastikteppich im Atlantik ja immer größer. Und ich bin offiziell mit schuld. Und Stefan guckt dann wieder so…
Also bleibe ich hart. Also finde ich seine grandiose Idee, jeden Tag zwei leere Plastikkanister zur Recyclingstelle zu tragen, ganz toll! Also denke ich nicht daran, dass davon der Plastikberg nicht kleiner wird, weil ja jeden Tag zwei neue leere Trinkwasserkanister dazu kommen. Also schwelge ich in meiner Sehnsucht. Nach – ich hätte niemals gedacht, dass ich das eines Tages sagen werde – dem Recyclingzwang in Deutschland, dem ich mich jahrelang erfolgreich in meiner WG widersetzt habe…

1 Kommentar:

  1. Ich gratuliere dir! Du hast es geschafft, dich den Ami-Modalitäten zu widersetzen. Ich bin wirklich stolz auf dich! Wie hat meine Lehrerin in der Grundschule immer geschrieben: "Weiter so!" :-) und du wirst sehen, dass das Gefühl, etwas Gutes für den Planeten getan zu haben, gegenüber dem inneren Schweinehund überwiegt, der jeden Tag auf's Neue warten wird und dir sagt, dass du es doch viel einfacher haben kannst. So bleibst du DU und das ist viel mehr wert, als dich der Bequemlichkeit der Bevölkerung von Atlanta (bzw. den Amerikaner allgemein) anzupassen.
    Ganz liebe Grüße :-*

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