Donnerstag, 26. August 2010

Ein bisschen Rassismus in Ehren…

Liebe Lesergemeinde,
heute wollen wir uns einer oft gestellten Frage zuwenden und ihre Geschichte sowie deren Auswirkungen auf die Gegenwart näher beleuchten. Vorteil dieser Übung: Ich kann meinen Drang zur Belehrung voll ausleben und diese kleine Auszeit vom Unterrichten trotzdem zum Klugscheißen nutzen.
Die Frage, die wir näher beleuchten wollen, lautet wie folgt: „Habt ihr denn auch schon einen von diesen Schwarzen gesehen, von denen man schon soviel gehört hat?“
Nun, verehrter Fragensteller, ich kann deine Frage bejahen und möchte gleich ein wenig ausholen: Wir befinden uns in Georgia, einer wärmeren Region im Süden der USA, geeignet zum Baumwoll- und Reisanbau auf grooooßen Plantagen. Die Leute hier haben sich die Sklaverei hart erkämpft, wurde sie doch erst von der britischen Krone verboten. Aber in einem Land, in dem alle Menschen frei sind, lässt man es sich nicht so einfach verbieten, eine zahlenmäßige Mehrheit von unfreiwillig eingeschifften Afrikanern zum Arbeiten zu zwingen. Wo kämen wir denn da hin? Sollen sich etwa die blassen Herrschaften aufs Feld stellen und selber schuften? Soweit kommt`s noch! Da macht man mal ordentlich Druck und schwuppdiwupp wurde die Untersagung der Sklaverei im Jahre 1751 wieder zurückgenommen. Und dann war erstmal 100 Jahre alles schick für den weißen Mann. Zumindest im Süden. Im Norden war die wirtschaftliche Situation dummerweise nicht so sehr davon abhängig, Menschen wie schlechtere Haustiere zu behandeln und so wurde die Sklaverei auch bald abgeschafft.
Ein Schlag ins Gesicht für unsere Bauernfreunde im Süden! Industrialisierung? Einzelstaaten, die von der Union regiert werden und somit weniger Föderalismus? Nee, Freunde. So haben wir nicht gewettet! Die Südstaaten schieden also aus der Union aus und gründeten die Konföderation. Für menschenverachtende, grausame Praktiken muss gekämpft werden! War nur nicht so doll, der Kampf, denn schon 1865 musste man sich geschlagen geben und zähneknirschend das Verbot der Sklaverei hinnehmen. Schlimmer noch: 1868 wurden den Arbeitsgerätschaften, die man jetzt nicht mehr als Eigentum bezeichnen durfte, auch noch formal die Bürgerrechte zugesprochen!
Die Betonung liegt auf formal, denn daran scheint sich bis heute nicht viel geändert zu haben. Sieht man in Atlanta Leute in schlechtbezahlten Dienstleistungsberufen, so kann man mit 90%iger Wahrscheinlichkeit darauf wetten, dass es sich um Mitbürger mit afrikanischem Migrationshintergrund und familiärer Sklavenvergangenheit handelt. Auch im universitären Kontext ist die Hautfarbe der Mensaleute durchgehend schwarz. Aaach ja, die gute alte Tradition, sich einen Teller Suppe von Leuten hinstellen zu lassen, die offiziell nicht mehr als Sklaven gelten. Aber man wird doch wohl noch ein bisschen in Erinnerungen schwelgen dürfen. Was wir bis jetzt über unsere dunkelhäutigen Freunde gehört haben, zeugt auch nicht grade von großer Weltoffenheit: es wurde uns davon abgeraten, den Bus zu nehmen, denn da fahren nur Schwarze mit (Apartheid, bist du`s?), Mädchen, deren Haut nicht blütenweiß ist, gelten gemeinhin als bessere Affen: ohne jegliche Ausbildung geben sie sich schon in jungen Jahren jedem Dahergelaufenen hin und bevölkern die Welt dann mit - richtig – noch mehr Schwarzen, die nichtmal mehr unbezahlte Arbeitskräfte sind. Auf dem Emory Campus gibt es eine Vereinigung, die für die Rechte schwarzer Mitstudenten kämpft. Es scheint, als hätte man in Georgia zwar die Schlacht verloren, aber der Krieg ist noch lange nicht vorbei…

Sonntag, 22. August 2010

Der Horror kommt nachts...

Im Süden der USA, genauer in Decatur/Atlanta, in ein Apartment zu ziehen, ist ein bisschen wie zelten: Egal, wie sehr man sich abmüht, man wird den Dreck nicht rauskriegen. Außer ein bisschen Plastegeschirr für 1,19 $, ein paar Trinkwasserkanistern und einer ständig Luft verlierenden Matratze erinnert fast nichts an den Komfort, den wir verwöhnten Gören in Deutschland genossen haben.
Hinter diesen Mauern lauert das, was ich Unwissende noch gestern Vormittag als „malerisch“ deklariert habe: die Natur. Mit all ihren Schrecken. Bäume, Efeu, Rasen. Das volle Programm. Die letzte Nacht steckt uns noch in den Knochen. Auch im übertragenen Sinn. Während ich das schreibe, weiß ich nicht, ob ich sicher bin. Wie ein gehetztes Tier schaue ich ständig nach rechts und links und spähe zu dem, was sich als Retter tarnt, aber in Wirklichkeit Träger des Schreckens ist: die Klimaanlage. Man kann ihr nicht trauen. Niemals. Sie gaukelt dir vor, sie wäre dein Schutz vor der Hitze, dein Verbündeter. Doch sie lügt. Denn eigentlich beherbergt sie Fürchterliches, was sich des Nachts in dein Apartment schleicht…
Doch fangen wir von vorn an: Es schien ein ganz normaler Abend in der Fremde zu sein. Nachdem wir unsere tausend Tüten Lebensmittel-Grundausstattung unter großer Anstrengung nach Hause geschleppt hatten, gönnten wir uns noch ein Gläschen nicht chloriertes Wasser und betteten unsere erschöpften Körper zur Ruhe. Sämtliche Diskussionen darüber, wer Familie und Freunde mehr vermisst, konnten nicht zu einem befriedigenden Ergebnis geführt werden und wurden deshalb vertagt. Da lagen wir nun. Allein. Schwitzend. Schlaflos. Und das Beunruhigendste: es war dunkel. Sehr dunkel. Nachdem wir uns geraume Zeit hin und her gewälzt hatten, beschloss ich, noch einmal die Klimaanlage in dem Raum einzuschalten, der Küche und Wohnzimmer in einem ist. Bei offener Tür sollte dann die Temperatur sinken, die Lärmbelästigung aber so gering sein, dass das Einschlafen mühelos funktioniert. Ich stapfe durch die Dunkelheit, erreiche die Klimaanlage und sehe, noch bevor ich sie berühren kann, dass etwas Käferartiges darauf herumkrabbelt. Als erwachsene, tapfere Frau von Welt spare ich mir den Ohnmachtsanfall und tue das einzig Vernünftige: ich schreie mir die Seele aus dem Leib, zitiere meinen Mann her und übergebe den Fall. Als Stefan nach einer gefühlten Ewigkeit, bei der es sich objektiv betrachtet nur um wenige Sekunden gehandelt haben kann, die Tür erreicht und das Licht einschaltet, bleibt mir mein Schrei im Halse stecken: bei dem käferartigen Etwas, das mittlerweile wieder ins Innere der Klimaanlage kriecht, handelt es sich um das, was die Deutschen am meisten fürchten: Eine Kakerlake. Und sie war nicht allein. Zu tausenden tummelten sie sich an den Küchenwänden, in den Jalousien, einfach überall. Gut, ok. Vielleicht waren sie nur zu zweit. Aber allein ihre pure Anwesenheit in unserem Apartment lässt mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Stefan, als Mann der Tat, holt einen Schuh und will auf den Feind einschlagen. Dank meiner abendlichen Dosis Bildungs-TV mit Aiman Abdallah weiß ich jedoch, dass man diese ekelerregenden Wesen auf keinen Fall zerquetschen soll. Ihre Eier verbreiten sich sonst überall. Stefan holt also eine unserer zwei Plasteschüsseln, will die Kakerlake einfangen und sicherlich aussetzen. Meine Protestrufe, dass wir aus der Schüssel morgen Cornflakes essen wollen, verhallen ungehört. Der Feind ist schneller. Er verkriecht sich so geschickt unter der Jalousie, dass wir ihn nicht mehr auffinden können. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als die Tür zu verriegeln und zu hoffen, dass wir nicht im Schlaf angefallen werden.
Bevor ich heute die Matratze verlassen habe, hat mein edler Recke alles genauestens inspiziert. Keine Kakerlaken in Sicht. Auch nicht in den Schränken. Aber wir werden wachsam sein. Ich werde mich jetzt auf den Weg in den Supermarkt machen und dann gnade diesen Dingern Gott: die Schlacht hat begonnen…

Montag, 16. August 2010

Ankommen, wundern, staunen: Willkommen in Amerika!

Ich kann es kaum glauben, wir sind wirklich da!!! Irgendwie haben wir es geschafft, den ganzen Trubel im Vorfeld mit weniger als einer Packung Beruhigungsdragees und dem Minimum an Abschiedsschmerz-Totalzusammenbrüchen zu überstehen und in die USA einzureisen, ohne verhaftet, ausgeraubt oder abgewiesen zu werden.
Es ist, wie ich es mir immer erträumt habe: bei Jerry Springer schlagen sich zwei dumme Frauen (von denen eine neun Kinder vom Bruder der anderen hat, wenn ich das hier richtig verstehe…), das People-Magazin zerreißt sich das Maul über Jennifer Aniston, wenn man nicht will, muss man keinen Schritt zu Fuß gehen und im Supermarkt gibt es lustige Drogen. Auch ohne Rezept!
Am Flughafen in New York haben wir erst mal bei Starbucks mit einem fettreduzierten Caramell-Frappuccino auf unser neues Leben angestoßen und sind auch gleich ins Gespräch mit einer netten Frau mittleren Alters gekommen, die uns das Kunstmuseum in Atlanta ans Herz gelegt hat. Dort hätten sie jetzt auch Bilder von diesem Dalí. Stefan zeigte mir eine bis dato unbekannte Facette seiner Persönlichkeit und entpuppte sich natürlich als großer Kunstkenner: mit einer abwertenden Handbewegung bezichtigte er Dalí, ein „crazy guy“ (deutsch: verrückter Typ) zu sein. Na gut, dann bleibt das aufstrebende Akademikerpärchen eben bei der guten alten Fernsehunterhaltung. Wie schädlich können Talkshows schon für den Intellekt sein????
Nachdem wir endlich im Flugzeug nach Atlanta saßen, übermannte uns eine bleierne Müdigkeit. Nach 24 Stunden auf den Beinen versanken wir 2 Stunden in einen traumlosen Schlaf, der sich für unseren Nacken ein wenig nachteilig auswirkte. Nachdem wir erwacht waren und unsere Gliedmaßen sortiert hatten, stellten wir beim Blick aus dem Fenster fest, dass sich das Flugzeug auf dem Boden befand und dachten schon, wir seien wieder gelandet. Haha, naive Deutsche! Zu diesem Zeitpunkt waren wir noch nicht mal gestartet! Das sieht man hier anscheinend nicht so eng mit der Pünktlichkeit im Flugverkehr. Aber was soll`s, immerhin werden Saft und Snacks verteilt. Vermutung: die tun hier was ins Essen, um die Leute ruhig zu stellen. All ihre Emotionen werden mit diesen Substanzen so lange unter Verschluss gehalten, bis sie sich endlich begleitet von lächerlichen Zuckungen in einem großen Wutanfall während der Jerry-Springer-Show entladen. Dieser Fernseher läuft schon ´ne Weile und bis jetzt war die Jerry-Springer-Show jede dritte Sendung. Kein Witz! Ich werde das weiter beobachten.
Ortszeit ist jetzt 17.30 Uhr. Nächste Schritte: meinen Mann aus dem übrgroßen Hotelbett werfen und peinliche Touristensachen machen. Dieses Hotel hat einen Pool – ich habe einen Hintern. Wir wissen alle, was das bedeutet!
Nachtrag, egoistisch wie ich bin, habe ich vergessen, den Tag meines Mannes zu schildern: Da passierte allerdings wenig Überraschendes. Stefan Falkner, ein Name, der für Erfolg steht, hat auch heute wieder bewiesen, wie überragend er ist: Mit dem Doktorvater per du, beim Englischtest gepunktet und ganz nebenbei für sein Jerry-Springer-abhängiges Frauchen zwei Joboptionen an Land gezogen. Ich liebe diesen Mann!!!!