Sonntag, 22. August 2010

Der Horror kommt nachts...

Im Süden der USA, genauer in Decatur/Atlanta, in ein Apartment zu ziehen, ist ein bisschen wie zelten: Egal, wie sehr man sich abmüht, man wird den Dreck nicht rauskriegen. Außer ein bisschen Plastegeschirr für 1,19 $, ein paar Trinkwasserkanistern und einer ständig Luft verlierenden Matratze erinnert fast nichts an den Komfort, den wir verwöhnten Gören in Deutschland genossen haben.
Hinter diesen Mauern lauert das, was ich Unwissende noch gestern Vormittag als „malerisch“ deklariert habe: die Natur. Mit all ihren Schrecken. Bäume, Efeu, Rasen. Das volle Programm. Die letzte Nacht steckt uns noch in den Knochen. Auch im übertragenen Sinn. Während ich das schreibe, weiß ich nicht, ob ich sicher bin. Wie ein gehetztes Tier schaue ich ständig nach rechts und links und spähe zu dem, was sich als Retter tarnt, aber in Wirklichkeit Träger des Schreckens ist: die Klimaanlage. Man kann ihr nicht trauen. Niemals. Sie gaukelt dir vor, sie wäre dein Schutz vor der Hitze, dein Verbündeter. Doch sie lügt. Denn eigentlich beherbergt sie Fürchterliches, was sich des Nachts in dein Apartment schleicht…
Doch fangen wir von vorn an: Es schien ein ganz normaler Abend in der Fremde zu sein. Nachdem wir unsere tausend Tüten Lebensmittel-Grundausstattung unter großer Anstrengung nach Hause geschleppt hatten, gönnten wir uns noch ein Gläschen nicht chloriertes Wasser und betteten unsere erschöpften Körper zur Ruhe. Sämtliche Diskussionen darüber, wer Familie und Freunde mehr vermisst, konnten nicht zu einem befriedigenden Ergebnis geführt werden und wurden deshalb vertagt. Da lagen wir nun. Allein. Schwitzend. Schlaflos. Und das Beunruhigendste: es war dunkel. Sehr dunkel. Nachdem wir uns geraume Zeit hin und her gewälzt hatten, beschloss ich, noch einmal die Klimaanlage in dem Raum einzuschalten, der Küche und Wohnzimmer in einem ist. Bei offener Tür sollte dann die Temperatur sinken, die Lärmbelästigung aber so gering sein, dass das Einschlafen mühelos funktioniert. Ich stapfe durch die Dunkelheit, erreiche die Klimaanlage und sehe, noch bevor ich sie berühren kann, dass etwas Käferartiges darauf herumkrabbelt. Als erwachsene, tapfere Frau von Welt spare ich mir den Ohnmachtsanfall und tue das einzig Vernünftige: ich schreie mir die Seele aus dem Leib, zitiere meinen Mann her und übergebe den Fall. Als Stefan nach einer gefühlten Ewigkeit, bei der es sich objektiv betrachtet nur um wenige Sekunden gehandelt haben kann, die Tür erreicht und das Licht einschaltet, bleibt mir mein Schrei im Halse stecken: bei dem käferartigen Etwas, das mittlerweile wieder ins Innere der Klimaanlage kriecht, handelt es sich um das, was die Deutschen am meisten fürchten: Eine Kakerlake. Und sie war nicht allein. Zu tausenden tummelten sie sich an den Küchenwänden, in den Jalousien, einfach überall. Gut, ok. Vielleicht waren sie nur zu zweit. Aber allein ihre pure Anwesenheit in unserem Apartment lässt mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Stefan, als Mann der Tat, holt einen Schuh und will auf den Feind einschlagen. Dank meiner abendlichen Dosis Bildungs-TV mit Aiman Abdallah weiß ich jedoch, dass man diese ekelerregenden Wesen auf keinen Fall zerquetschen soll. Ihre Eier verbreiten sich sonst überall. Stefan holt also eine unserer zwei Plasteschüsseln, will die Kakerlake einfangen und sicherlich aussetzen. Meine Protestrufe, dass wir aus der Schüssel morgen Cornflakes essen wollen, verhallen ungehört. Der Feind ist schneller. Er verkriecht sich so geschickt unter der Jalousie, dass wir ihn nicht mehr auffinden können. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als die Tür zu verriegeln und zu hoffen, dass wir nicht im Schlaf angefallen werden.
Bevor ich heute die Matratze verlassen habe, hat mein edler Recke alles genauestens inspiziert. Keine Kakerlaken in Sicht. Auch nicht in den Schränken. Aber wir werden wachsam sein. Ich werde mich jetzt auf den Weg in den Supermarkt machen und dann gnade diesen Dingern Gott: die Schlacht hat begonnen…

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen